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Mittwoch, 16. November 2011

Diskussion zu Familiäre Lebensformen/Alter: Greift das Regierungskonzept der Zuschussrente?

Der Sozialverband VdK und der Deutsche Rentenversicherung Bund sind sich einig, dass das Zuschuss-Renten-Konzept der Bundesregierung kein zielgenaues Instrument zur Vermeidung und Bekämpfung der Altersarmut ist. Insbesondere dem Ziel „Kampf gegen Altersarmut“ wird es nicht gerecht.

„Das Modell der Zuschuss-Rente geht an der gesellschaftlichen Wirklichkeit vorbei und wird die Altersarmut nicht eindämmen“, so die Präsidentin des Verbands. Grundsätzlich sei der Gedanke, Menschen mit geringem Einkommen eine Perspektive fürs Alter zu geben, zwar richtig, „aber gut gemeint ist nicht gut gemacht“.

Nach den Vorstellungen von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen sollen langjährige Versicherte mit geringem Einkommen einen staatlichen Zuschuss bekommen, um ihre Rentenleistungen über das Grundsicherungsniveau zu heben. Aktuell ist von einem Betrag von 850 Euro die Rede. 

Doch die Hürden sind hoch: „45 Versicherungsjahre sind gerade für Frauen absolut utopisch, 2009 erreichten Frauen in Westdeutschland durchschnittlich nur 26,6 Versicherungsjahre“, erklärte Mascher. Man fühlt sich unwillkürlich an Versicherungsversprechen erinnert, die sich immer einen großen Hinterausgang offenhalten ...

Die zweite Hürde ist die Bedingung, eine staatlich geförderte zusätzliche Altersversorgung abzuschließen. „Die Erfahrung nach zehn Jahren Riesterrente zeigt, dass diese Anlageform für Bezieher kleinerer Einkommen kaum attraktiv ist. Bevor man den Riestervertrag zur Eingangsvoraussetzung für die Zuschuss-Rente erklärt, muss eine solche Anlageform für die breite Bevölkerung erst einmal erfolgversprechend funktionieren.“

Hinzu kommt, dass jetzige Rentnerinnen und Rentner sowie ältere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht von den Plänen der Zuschuss-Rente profitieren würden: Die zunehmende Zahl gerade von Rentnerinnen, die Grundsicherungsleistungen im Alter beantragen müssen, zeige, dass schon aktuell Handlungsbedarf besteht.
Zeiten für die Pflege demenzkranker Angehöriger ohne Pflegestufe oder der Arbeitslosigkeit – auch solche aufgrund von gesundheitlichen Einschränkungen – werden nicht berücksichtigt. Damit besteht ein Modell sehr hoher Ungerechtigkeit : 

„Das Modell ist zutiefst ungerecht, denn es ignoriert die tatsächlichen Verhältnisse am Arbeitsmarkt. Langzeitarbeitslosigkeit oder Erwerbsunfähigkeit sind in den meisten Fällen aber unverschuldet.“ 

Zeiten geringfügiger Beschäftigung sollen andererseits berücksichtigt werden: „Das ist das absolut falsche Signal“, kritisiert Mascher, „so wird noch mehr Nachfrage nach Minijobs geschaffen. Dabei ist die prekäre Beschäftigung eine der Hauptursachen für spätere Altersarmut.“ Hier besteht aber zumindest eine (wie große?) Chance bei Halbtagsbeschäftigungen und 400-EUR-Job aufgesattelt einen  Anspruch zu erhalten. Wie realistisch ist jedoch diese Kombination im Hinblick auf Zuschuss-Rente?

Samstag, 20. August 2011

Diskussion - Armut in Deutschland: Wie steht es mit unserem Armutsbekämpfungsprogramm?

(vdk) Die Armutsbekämpfung muss ganz oben auf die politische Agenda meint auch der Sozialverband VdK anlässlich einer aktuell veröffentlichten Analyse der Vereinten Nationen über die soziale Lage in Deutschland. „Die UN bestätigt die Position des Sozialverbands VdK, dass die Bundesregierung endlich ein umfassendes Armutsbekämpfungsprogramm auf den Weg bringen muss.“ Ein erster Schritt wäre die Einsetzung von Armutsbeauftragten auf Bundes- und Landesebene, um Maßnahmen der Sozial-, Arbeitsmarkt-, Gesundheits- und Bildungspolitik hinsichtlich der Armutsbekämpfung zu koordinieren.

Die UN-Analyse bezieht sich auf Zahlen aus dem Jahr 2008. Als „besonders erschreckend" bezeichnete es deshalb VdK-Präsidentin Ulrike Mascher, dass sich im Bereich Kinderarmut seither „kaum etwas bewegt hat". Die Teilhabe armer Kinder habe sich kaum verbessert. „Das Bildungspaket der Bundesregierung läuft weitgehend ins Leere“, konstatierte Mascher, „viel effektiver wäre es, diese Mittel dort einzusetzen, wo Kinder Tag für Tag betreut werden: in Schulen, Kitas und Kindergärten, beispielsweise für Mittagessen, Musikunterricht und Nachhilfe.“ Hier ließe sich ein diskriminierungsfreier Umgang auch viel besser realisieren, durch den Gang zum Amt fühlten sich viele arme Familien stigmatisiert.

Die hohe Zahl der so genannten „Aufstocker“ – der UN-Bericht geht von 1,3 Millionen Menschen aus, deren Einkommen trotz Arbeit nicht ausreicht – bezeichnete Mascher als „Zeichen einer verfehlten Arbeitsmarktpolitik, die zu stark auf Niedriglöhne und Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit setzt“. Sie wies in diesem Zusammenhang auf die Gefahr wachsender Altersarmut hin: „Wer trotz Arbeit heute Hartz IV beziehen muss, wird von seiner Rente nicht leben können.“ Schon jetzt ist festzustellen, dass die Zahl der Grundsicherungsempfänger im Alter deutlich wächst: Zwischen 2003 und 2009 war ein Anstieg um 55 Prozent zu verzeichnen. „Diese Entwicklung verläuft parallel zum zunehmenden Wertverlust der Renten“, erläuterte Mascher. Die Rentnerinnen und Rentner würden seit Jahren durch die Rentenkürzungsfaktoren von der allgemeinen Lohnentwicklung abgehängt, vom derzeitigen Aufschwung profitieren sie ebenfalls nicht: „Die diesjährige niedrige Rentenerhöhung von 0,99 Prozent wird von der Inflation von 2,3 Prozent mehr als eingeholt.“ Mascher warnte: „Die Kluft zwischen Arm und Reich darf nicht noch weiter wachsen. Das gefährdet den sozialen Frieden.“

(SV)