Weniger Geld, weniger Medizin: Die neue Realität für ukrainische Geflüchtete in Deutschland
Knapp drei Jahre nach Beginn des russischen Angriffskrieges hat sich die Lage ukrainischer Geflüchteter in Deutschland spürbar verändert. Wer jetzt neu ankommt, bekommt nicht mehr das Bürgergeld, sondern fällt unter das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG). Das bedeutet: weniger Geld im Monat, eingeschränkte medizinische Versorgung – und eine zunehmend kontroverse politische Debatte über Integration, Arbeitsmarkt und Belastungen.
Absenkung der Leistungen
Bis März 2025 erhielten Geflüchtete aus der Ukraine Bürgergeld: alleinstehende Erwachsene knapp 563 Euro monatlich. Seit April gilt für Neuankömmlinge der abgesenkte Satz des AsylbLG – rund 441 Euro. „Für viele Familien ist das kaum zu stemmen“, sagt ein Mitarbeiter der Diakonie in Stuttgart. „Vor allem Mütter mit Kindern können nicht sofort arbeiten, gleichzeitig steigen die Miet- und Lebenshaltungskosten.“
Medizin nur im Notfall
Noch gravierender sind die Folgen für die Gesundheitsversorgung. Mit dem Wechsel in das AsylbLG haben Betroffene nur noch Anspruch auf Behandlung bei akuten Erkrankungen und Schmerzen. Chronische Leiden, Psychotherapie oder Zahnersatz müssen einzeln beantragt und oft lange verhandelt werden.
„Das heißt konkret: Eine Frau mit Diabetes bekommt zwar Insulin, aber nicht automatisch die begleitende Schulung oder Präventionsprogramme. Ein Kind mit Zahnfehlstellungen hat keine Chance auf reguläre kieferorthopädische Behandlung“, erklärt die Berliner Ärztin Kateryna H., die selbst aus der Ukraine stammt.
Nach einer Änderung 2024 wurde die Einschränkungszeit von 18 auf 36 Monate verdoppelt. „Damit verdoppelt sich die reale Wartezeit auf volle Krankenkassenleistungen, die laut unseren Daten ohnehin schon bei über einem Jahr lag“, warnt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW).
Kritik von Wohlfahrtsverbänden
Wohlfahrtsverbände sprechen von einem gesundheitspolitischen Rückschritt. Die Diakonie nennt die Verlängerung „ökonomisch unsinnig“:
„Wer heute eine Vorsorgeuntersuchung verweigert, muss morgen für eine Krankenhausbehandlung zahlen – das ist teurer für alle.“
Auch der GKV-Spitzenverband weist darauf hin, dass die Regelungen für Ärztinnen und Ärzte kompliziert und restriktiv sind. „Zahnersatz oder psychologische Betreuung fallen in der Regel durch das Raster, es sei denn, es besteht akute Lebensgefahr“, heißt es aus der Kassenärztlichen Vereinigung.
Arbeitsmarktchancen und Realität
Gleichzeitig will die Bundesregierung mit der Absenkung Anreize zur schnellen Arbeitsaufnahme schaffen. Tatsächlich waren im November 2024 rund 300.000 Ukrainerinnen und Ukrainer beschäftigt, davon 245.000 sozialversicherungspflichtig. Die Beschäftigungsquote liegt bei etwa 32 Prozent.
Doch Experten warnen: Wer ohne Sprachkenntnisse und ohne Kinderbetreuung in den Arbeitsmarkt gedrängt wird, landet häufig in prekären Jobs. „Statt Integration zu beschleunigen, riskieren wir eine Parallelgesellschaft am unteren Rand“, sagt Migrationsforscherin Petra Bendel.
Politische Debatte
Inzwischen wird auch über den besonderen Status ukrainischer Geflüchteter gestritten. Während die Union fordert, die Gleichstellung mit anderen Asylsuchenden vollständig durchzusetzen, warnt die Ampel-Koalition vor „falschen Signalen“ gegenüber einer Bevölkerungsgruppe, die vor einem akuten Krieg flieht. Zugleich wächst der Druck in Kommunen, die Kostenexplosion bei Unterkünften und Sozialarbeit abzufedern.
Die Verschärfungen beim Geld und bei der medizinischen Versorgung markieren einen Wendepunkt. Sie entlasten kurzfristig die Sozialkassen, schaffen aber langfristig neue Probleme: Krankheiten, die verschleppt werden, Arbeitsmarktchancen, die ungenutzt bleiben, und ein Klima wachsender Unsicherheit für Menschen, die vor Bomben und Raketen Schutz suchen.
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