Mittwoch, 23. Juli 2025

Wohin tendiert die Korruptionskontrolle in der Ukraine?

Seit der Euromaidan-Revolution gilt der Aufbau starker, unabhängiger Institutionen als Fundament der demokratischen Entwicklung der Ukraine. Die Antikorruptionsbehörden NABU und SAPO waren zentrale Bestandteile dieser Architektur. Doch angesichts russischer Spionagevorwürfe und wachsender Sicherheitsrisiken hat Präsident Selenskyj am 23. Juli 2025 ein Gesetz unterzeichnet, das die Kontrolle dieser Institutionen dem Generalstaatsanwalt unterstellt. Eine Maßnahme, die nach Ansicht der Regierung aktuell notwendig ist – aber nur vorübergehend legitim bleiben kann.

Sicherheit und die Notwendigkeit von Kontrolle

Die Bedrohung durch russische Infiltration ist nach mehreren Verhaftungen von NABU-Mitarbeitern real. In dieser Ausnahmesituation erscheint eine temporäre Kontrolle durch den Präsidenten und den Generalstaatsanwalt als ein legitimer Versuch, die Handlungsfähigkeit des Staates zu sichern. Die Regierung sieht darin die einzige Möglichkeit, Sabotage und Spionage effizient zu bekämpfen – insbesondere in Behörden, die Zugang zu sensiblen Daten und Ermittlungen haben.

Das Risiko des Machtmissbrauchs

Gleichzeitig birgt die Konzentration von Macht ohne unabhängige Aufsicht erhebliche Gefahren. Die europäische Geschichte zeigt, dass temporäre Ausnahmen schnell in dauerhafte Machtverschiebungen münden können. Der Sicherheitsimperativ darf kein Freibrief für politische Einflussnahme sein – insbesondere bei Ermittlungen, die enge Vertraute der Regierung betreffen.

Die Erfolge von NABU und SAPO

Gerade weil NABU und SAPO in der Vergangenheit Erfolge erzielt haben, ist ihre Unabhängigkeit schützenswert:

  • Mehr als 1.200 Ermittlungen gegen Top-Beamte, Minister und Richter
  • Aufdeckung von Korruptionsfällen in Millionenhöhe, darunter ein Bestechungsversuch eines obersten Richters
  • Rückführung von über 10 Milliarden UAH an den Staat, davon 2,56 Milliarden UAH für Verteidigungsausgaben
  • Internationale Anerkennung als Modellinstitutionen durch EU, G7 und IWF

Diese Bilanz zeigt, dass die Institutionen prinzipiell funktionstüchtig sind – und dass die Schwächen punktuell, aber nicht systemisch sind.

EU-Skepsis und der Pfad zurück zur Rechtsstaatlichkeit

Die EU erkennt die sicherheitspolitischen Herausforderungen an, fordert jedoch klare rechtsstaatliche Rahmenbedingungen. Sie verlangt nach richterlicher Kontrolle, Transparenz und einer Exit-Strategie, die den Weg zurück zur institutionellen Unabhängigkeit ebnet. Die milliardenschwere Unterstützung Europas hängt nicht zuletzt vom Vertrauen in funktionierende Gewaltenteilung ab.


Zeitweise Kontrolle mit Rückkehrgarantie

Eine temporäre Kontrolle kann legitim sein – aber sie muss auf festen Regeln basieren und aktiv zur Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit beitragen. Die Öffentlichkeit wartet auf Klärung der Maßnahme und wird alles kritisch betrachten. Die EU wird Folgendes erwarten:

  • Gesetzlich festgelegte Dauer der politischen Aufsicht
  • Messbare Sicherheitsziele (z. B. Überprüfung von Personal, Sicherheitsstruktur, Datenzugang)
  • Nach Zielerreichung Rückkehr zu international und zivilgesellschaftlich besetzten Auswahlprozessen
  • Einbindung eines unabhängigen Expertengremiums zur Begleitung und Bewertung des Prozesses
  • Beteiligung von NGOs, Medien und Bürgervertretungen in der Beobachtung und Veröffentlichung von Fortschritten
  • Ausschluss von Postenübernahmen durch russlandfreundliche Vertreter 




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