(BIP) Knapp 3.000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen wurden zum dritten Mal zur ihrer Lebenssituation befragt. Erstmalig liegen mit der neuen Untersuchung auch Daten zu mitgeflüchteten Kindern und Jugendlichen vor.
Über eine Million Menschen, die vor dem russischen Angriffskrieg aus der Ukraine geflüchtet sind, leben gegenwärtig in Deutschland. Eineinhalb Jahre nach ihrer Ankunft hat sich ihre Lebenszufriedenheit deutlich gesteigert. Dies hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) in einer neuen Studie veröffentlicht, für die knapp 3.000 aus der Ukraine geflüchtete Menschen zum dritten Mal befragt wurden. Erstmalig liegen mit der neuen Untersuchung auch Daten zu mitgeflüchteten Kindern und Jugendlichen vor.
Seit ihrer Ankunft in Deutschland hat sich das Wohlbefinden der Geflüchteten insgesamt verbessert. So ist die allgemeine Lebenszufriedenheit innerhalb des letzten halben Jahres deutlich gestiegen: Kurz nach ihrer Ankunft in Deutschland gaben 20 Prozent der Geflüchteten an, mit ihrem Leben zufrieden zu sein. Während sich dieser Anteil in den ersten Monaten kaum veränderte, begann er sich nach etwa einem dreiviertel Jahr kontinuierlich zu erhöhen. Nach knapp eineinhalb Jahren in Deutschland liegt er bei 27 Prozent. Gleichzeitig haben sich ihre Sorgen um die in der Ukraine verbliebenen Verwandten kontinuierlich verringert. Diese Zunahme im Wohlbefinden steht auch mit einer verbesserten Wohnsituation der Geflüchteten in Verbindung. So ist die Lebenszufriedenheit der in Gemeinschaftsunterkünften lebenden Menschen noch immer deutlich geringer.
„Ein starker positiver Zusammenhang besteht darüber hinaus zwischen den Deutschkenntnissen und dem Wohlbefinden der Geflüchteten“, erklärt Dr. Andreas Ette, Studienleiter am BiB. „Je besser die Deutschkenntnisse, desto höher ist die Lebenszufriedenheit.“
Sprachkenntnisse haben sich deutlich verbessert
Deutsch zu sprechen und zu verstehen gilt als Schlüsselqualifikation für eine stärkere gesellschaftliche Partizipation. Die Ergebnisse der Studie weisen darauf hin, dass sich Investitionen in Integrations- und Sprachkurse für Geflüchtete lohnen: Mittlerweile berichtet die Hälfte der erwachsenen Geflüchteten, dass sie mindestens mäßige oder gute Deutschsprachkenntnisse haben - das sind 33 Prozentpunkte mehr als im Spätsommer 2022. Mit dem Anstieg des Wohlbefindens und der deutschen Sprachkenntnisse bestehen heute bessere Voraussetzungen für eine gesellschaftliche Teilhabe der Ukrainerinnen und Ukrainer. Dies gelte auch für die Integration in den Arbeitsmarkt.
Fortschritte bei der Erwerbsbeteiligung
So belegen die Studienergebnisse einen nachhaltigen und kontinuierlichen Anstieg der Teilhabe der Geflüchteten auf dem deutschen Arbeitsmarkt: Von Spätsommer 2022 bis Mitte 2023 stieg die Erwerbstätigenquote von 16 auf 23 Prozent - obwohl viele der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer auf Grund der Teilnahme an Sprach- und Integrationskursen sowie Herausforderungen bei der Kinderbetreuung dem Arbeitsmarkt noch nicht zur Verfügung stehen. Innerhalb der ersten eineinhalb Jahre ist es zudem gelungen, einer substanziellen Zahl von Geflüchteten eine Erwerbstätigkeit zu ermöglichen, die ihrem bisherigen beruflichen Status entspricht.
„Eine Tätigkeit zu finden, die den eigenen Fähigkeiten entspricht, benötigt Zeit. Der jetzt beobachtete kontinuierliche Anstieg qualifizierter Beschäftigungsverhältnisse ist bemerkenswert. Dies verbessert die beruflichen Perspektiven für die Ukrainerinnen und Ukrainer und ist gleichzeitig eine Chance für den deutschen Arbeitsmarkt“, sagt Ette.
Neue Maßnahmen zur Förderung der Arbeitsmarktintegration der geflüchteten Ukrainerinnen und Ukrainer von Oktober 2023 zielen darauf ab, die Erwerbstätigenquoten weiter zu erhöhen.
Auch Wohlbefinden der Kinder hat sich verbessert
Das gestiegene Wohlbefinden von Erwachsenen ist auch für deren Kinder wichtig. Die Lebenszufriedenheit der aus der Ukraine geflüchteten Kinder und Jugendlichen hat sich seit ihrer Ankunft in Deutschland ebenfalls verbessert. Dies hängt auch mit außerschulischen Freizeitaktivitäten zusammen:
„Die Studienergebnisse verdeutlichen einmal mehr, wie wichtig Freizeitangebote wie Sport oder Musikunterricht für Kinder und Jugendliche mit Fluchthintergrund sind“, erklärt Prof. Dr. C. Katharina Spieß, Direktorin am BiB.
Rund 44 Prozent aller Kinder im Alter von 11 bis 17 Jahren nehmen an sportlichen Aktivitäten außerhalb der Schule teil, bei den Kindern im Grundschulalter ist es die Hälfte.
Außerschulische Aktivitäten könnten weiter gefördert werden
Einen wichtigen Ansatzpunkt zur weiteren Verbesserung der Situation sieht die Studie in der weiteren Förderung von Bildungs- und Betreuungsmöglichkeiten für Kinder im Kita- und Grundschulalter.
„Für Kinder und Jugendliche sind die Teilhabe und der Kontakt zu Gleichaltrigen essentiell“, meint Spieß. „Mit einer steigenden Kitanutzung könnte der Kontakt mit Gleichaltrigen für mehr Kinder ermöglicht werden.“
Ähnliches trifft auf betreuungsbedürftige Kinder im Grundschulalter zu – für sie und ihre Familien sind ganztägige Angebote, welche die Betreuung am Nachmittag abdecken, wichtig. Neben den formalen Bildungsangeboten wie Kita und Schule kann die Teilhabe von geflüchteten Kindern und Jugendlichen durch Nutzung außerschulischer Freizeitangebote verbessert werden. Viele Jugendliche nutzen bereits Sportangebote, nehmen aber vergleichsweise selten an Jugendgruppen teil.
Über die Studie
Für die vorliegende Studie wurden im Juni und Juli 2023 rund 3.000 Ukrainerinnen und Ukrainer befragt, die in Deutschland Zuflucht gefunden haben. Die Daten gehören zur dritten Welle der „BiB/FReDA-Befragung: Geflüchtete aus der Ukraine“. Die beiden vorherigen Befragungswellen aus dem Jahr 2022 hat das Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) zusammen mit dem Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie dem Sozio-oekonomischen Panel (SOEP) durchgeführt.