(SV) “Zufriedenheit ist unser bestes Gut” – für William Shakespeare war die Sache schon vor 400 Jahren klar. Und Menschen aus 34 Ländern bestätigen, dass manche Weisheit einfach zeitlos ist. Im Mai eröffnete die Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ihr interaktives Webportal “Your Better Life Index”. Dort können Nutzer aus OECD-Ländern anhand von elf Kategorien die Lebensbedingungen ihres Landes mit denen in einem anderen OECD-Mitglied vergleichen. Wie ein Land dabei abschneidet, hängt nicht zuletzt davon ab, welche Wichtigkeit die Nutzer den einzelnen Indikatoren beimessen. Zufriedenheit rangiert bisher am höchsten, gefolgt von Bildung und Gesundheit. Geld hingegen spielt für die Nutzer des Index eher eine untergeordnete Rolle: Die Kategorie “Gehalt” landet auf dem vorletzten Platz. Angegeben wird also nicht der Ist-Zustand, sondern die persönliche Meinung, was im Leben wichtig ist. Das Einkommen wird fast überall schwach bewertet, nur in Luxemburg rangiert es ganz oben.
Knapp drei Monate nach dem Start von “Your Better Life Index” haben mehr als dreieinhalbtausend Menschen aus allen Ländern der OECD ihre Prioritäten gesetzt und der OECD ihre persönlichen Profile zugeschickt. Nehmen Sie teil und schicken auch Sie Ihr persönliches Profil.
Mithilfe der Kategorien Wohnen, Einkommen, Arbeit, Gemeinschaft, Bildung, Umwelt, Regierungsführung, Gesundheit, Zufriedenheit, Sicherheit sowie Vereinbarkeit von Familie und Beruf können die Nutzer herausfinden, welches Land ihnen am meisten entspricht, aber auch, wie subjektiv eine jede Rangliste ist. Das kann keineswegs als repräsentativ gelten, weil das ja allein die Angestellten bei der OECD und Partnerorganisationen sein könnten. Aber ein Trend scheint sich abzuzeichnen. Aus den persönlichen Prioritäten setzt sich dann ein "Wunsch"-Bild des Staates zusammen, aber kein "Ist"-Bild. Wobei auch das erreicht werden soll. Für meine Begriffe vermengen sich da verschiedene Ebenen.
“Your Better Life Index” soll bestimmen helfen, wie gesellschaftlicher Fortschritt jenseits des lange allein betrachteten Bruttoinlandsproduktes gemessen werden kann. Auf die Frage, was den Menschen im Leben wichtig ist, gibt er eine erste Antwort (gesamte OECD 3.500 Zusender am 18.8.2011 gegenüber Hunderten von Millionen Einwohnern in den beteiligten Staaten). Verblüffenderweise nimmt bei anderen Untersuchungen Ungerechtigkeit z.B. in den USA einen hohen Stellenwert ein, tatsächlich wird aber subjektiv bislang die Zufriedenheit in den USA von den Abstimmern hoch angegeben: Man müsste eigentlich sagen, der Wunsch danach ist ausgeprägt. Zufriedenheit durch mehr Gerechtigkeit wäre ein zulässiger Schluss und auch die Erklärung für den Drang nach Zufriedenheit. Insofern passen die Ergebnisse wieder zueinander. Es gäbe bereits erste Korrelationen von Zufriedenheit und Mitbestimmung, sagt die OECD - zu sehen beim Punkt "Governance" (Regierung, wobei sich die Befürwortung oder Wichtigkeit entlang den beiden Indikatoren Wahlbeteiligung und Transparenz sowie Zugang zum Entscheidungsfindungsprozess auf allen gesellschaftlichen Ebenen formuliert). Die Frage "Sind Mitbestimmer und Bürger, die gehört werden, zufriedener?" scheint in dieser Richtung beantwortet zu werden. In Deutschland ist dieser Punkt bislang mit dem Wert 4,4 bewertet, die gesamte Zufriedenheit liegt niedriger, in Australien dagegen mit 9,9 sehr hoch. Die Wahlbeteiligung liegt bei uns weit unter dem OECD-Durchschnitt, in Australien wesentlich höher (mit negativer Tendenz). Wir schaffen dennoch das obere Drittel. Die OECD-Bürger haben es nicht so mit Wählen oder sie kommen gar nicht dazu.
Desinteresse an der politischen Mitbestimmung in Deutschland? Finger verbrannt? Resignation? Erwarten die Bürger keine Zufriedenheitssteigerung in diesem Bereich? Sinnlosigkeitsempfindungen?
Wahlbeteiligung und Transparenz/Mitbestimmung wird in den USA ebenfalls höher als in Deutschland bewertet, sie liegen jedoch unterhalb den australischen Werten. Dort besteht also ein starke Nachfrage/ein starker Wunsch nach Mitbestimmung und Engagement, um Zufriedenheit zu erreichen. Deutsche (wie viele?) haben bislang andere Prioritäten gesetzt: Umweltintaktheit, Sicherheit, Ausgewogenheit von Arbeit und Leben, Gemeinschaft, Bildung/Erziehung und Wohnen liegen vorne, das Einkommen hinten.
Schauen Sie sich die Rangliste an, vergleichen Sie die Wunschlage und bestimmen Sie Ihren persönlichen Index hier:
Your Better Life Index