In Deutschland gibt es rund 1,5 Millionen betreute Menschen mit psychischer Behinderung, psychischer Erkrankung und meist auch kriminellem Verhalten. Diese zu betreuen ist eine zeitintensive Aufgabe, hinzu kommt die zeitfressende Berichterstellung und Rechnungslegungen bei Vermögenssorge (vergleichbar mit kleinen bis mittleren Steuererklärungen mit Belegen), die etliche Stunden und Tage in Anspruch nehmen können.
DIe Bezahlung deckt geschätzt nur die Hälfte oder ein Drittel des Aufwands. Von der Planung her bestehen massive Mängel: Der selbstständige Berufsbetreuer muss bemüht sein, viele Betreuungen zu übernehmen, und kommt aber genau dadurch in Kalamitäten. Er wird wie alle Betreuer durch streng amtliche, strafende Rechtspfleger*innen ständig erinnert und aufgefordert, irgendwelche Verzeichnisse oder Rechnungslegungen, Überblicke und Auskünfte zu erstellen. Dabei kann die Arbeit mit dem Klientel emotional stark fordern und immer über alle möglichen Lösungswege grübeln lassen. Also Forderungen und keine praxiserfahrenen Ratschläge als Unterstützuung. Nur Richter*innen sind aussagekräftige Tippgeber. Oder eben Kollegen, zumindest im Verband.
Die Zeit rinnt einem durch die Finger, hielte man sich an einen Angestelltentag. Ergo müssen Betreuer mit ihrer Selbstständigen-Arbeitszeit verschwenderisch umgehen, obwohl es die Honorare gar nicht abdecken. Der Vereinsbetreuer hat dieselben Probleme, und ehrenamtliche Betreuer aus der Familie oder Anfänger oder Rentner im Alter dann wieder machen alles sowieso nur aus sozialem Engagement heraus. Immerhin: Es gibt pro Fall eine Pauschale von 400 EUR jährlich für eine ehrenamtliche Betreuung.
Berufsbetreuer müssen Berufsausbildungen oder Studium mitbringen und sind ab 2023 verpflichtet eine fachspezifische Aus- oder Fortbildung zum Betreuungsrecht zu absolvieren. Nur studierte Betreuer (Bachelor) haben diese Kenntnisse nach ca. 2800 Stunden vollständig erworben. Oder Rechtsanwälte, von denen einige ein paar Betreuungen, teils erst auf Anfrage, übernehmen. Alle anderen haben ebenfalls Eignungen, aber müssen noch den juristischen Hintergrund und seine Inhalte mit einigen Hundert Stunden erfassen. Das war vorher nicht! Je nach Vorbildung gibt es drei Honorarstufen, die ein Auskommen liefern sollen. Der Rest ist Engagement für den Staat. Für vermögende Betreute bekommt man über drei Jahre absteigend etwa 200-300 EUR / Monat, für unvermögende Betreute etwa 100-200 EUR / Monat. Vermögende können fix zu Unvermögenden werden, und in Heimen zu wohnen senkt das Honorar ebenfalls. Die Honorare sind brutto und müssen versteuert werden. Weitere Ausgaben wie Fahrten/KFZ-Kosten, Büro, Arbeitsmaterial, PC, Software müssen auch davon bezahlt werden, selbstverständlich Ausfälle durch Krankheit und mehrwöchige Abwesenheiten, in denen ein Ersatzbetreuer bestellt wird, dem das Honorar zusteht (!Urlaub wird dadurch sehr teuer!).
Mit einer Resolution (s.u) fordert der Länderrat des Bundesverbands der Berufsbetreuer den Gesetzgeber auf,
- durch einen vorgezogenen Inflationsausgleich das wirtschaftliche Überleben der Betreuungslandschaft zu sichern
- und unverzüglich das dafür nötige Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen.
Infolge der Preisexplosion bei Energie und Mobilität sowie Sach- und Mietkosten und der Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro sind Betreuungsvereine und selbstständige Berufsbetreuer*innen [hier nur wegen der Preisexplosion, d.Verf.] existenziell bedroht. „Wenn Bund und Länder jetzt nicht handeln, werden viele Berufsbetreuer*innen ihre Tätigkeit aufgeben müssen. Die rechtliche Betreuung in Deutschland droht zu kollabieren“, sagt BdB-Vorsitzender Thorsten Becker.
Der Gesetzgeber hat bei der Kalkulation der Betreuungspauschalen vorausschauend eine erwartete Tarifsteigerung von nur 2 Prozent eingerechnet, die die aktuellen Kostenexplosionen bei weitem nicht auffangen. Ebenso vorausschauend sollen die Betreuer keine Sozialhilfekarriere gemacht haben, sondern gearbeitet haben. Schließlich haften sie ohne Berufs-Haftpflichtversicherung 100% mit ihrem Privatvermögen!
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Resolution des Länderrates
des Bundesverbandes der Berufsbetreuer/innen e.V.
Betreuungsvereine und Berufsbetreuer*innen jetzt retten!
Die Betreuungslandschaft ist in akuter Not!
- Preisexplosionen insbesondere in den Bereichen Energie, Personal, Mobilität, sowie Miet- und Sachkosten schlagen in der rechtlichen Betreuung voll durch. Die Betreuungslandschaft kann die gestiegenen Kosten nicht auffangen und nicht weitergeben!
- Unter den gegebenen Umständen können zentrale Ziele der Betreuungsrechtsreform 2023 - die Sicherung der Qualität in der rechtlichen Betreuung und die weitere Stärkung der Selbstbestimmung der Klient*innen - nicht erreicht werden.
- Eine Anpassung der Vergütung bedarf immer einer Gesetzesänderung. Die Betreuungslandschaft kann nicht überleben, wenn die Politik im Bund und in den Ländern keine Abhilfe schafft.
- Als Ergebnis der aktuellen, repräsentativen Mitgliederbefragung, die das Institut für Freie Berufe (IFB) im Auftrag des BdB durchgeführt hat, zeigt sich, dass die tatsächliche Vergütungserhöhung im Mittel nur 12,3 % beträgt. Die 2019 durch den Gesetzgeber angekündigte Erhöhung von im Durchschnitt 17 % wurde nicht erreicht.
- Das Ergebnis der bis Ende 2024 geplanten Vergütungsevaluation werden viele Betreuungsvereine und Betreuungsbüros ohne Kostenausgleich nicht erleben, da die wirtschaftliche Situation zur Aufgabe zwingt.
Wir fordern den Gesetzgeber auf,
• durch einen vorgezogenen Inflationsausgleich das wirtschaftliche Überleben der Betreuungslandschaft zu sichern,
• unverzüglich das dafür erforderliche Gesetzgebungsverfahren auf den Weg zu bringen.
Finanzierung der Betreuungsarbeit in der Summe aus Zeit und Geld von fast 50 % ergeben. Die Politik konnte sich in der anschließenden Diskussion nur auf eine Vergütungsanpassung verständigen, welche die Vergütung der Betreuungsfälle im Durchschnitt um 17 % erhöhen sollte. Vorher war die Vergütung 14 Jahre lang unverändert geblieben! Der BdB hatte bereits damals darauf hingewiesen, dass der geplante Wert von 17 % nicht erreicht werden wird, da die zeitliche Entwicklung der Betreuungsvergütung nicht berücksichtigt wurde.
Im Rahmen einer aktuellen Mitgliederbefragung hat der BdB das Institut für Freie Berufe(IFB) beauftragt, die tatsächlichen Auswirkungen der Vergütungserhöhung von 2019 anhand der Auswertung von Daten aus zwei der von Berufsinhaber*innen meistgenutzten Arbeitsprogramme zu untersuchen. Im Ergebnis zeigte sich dabei, dass von den geplanten 17 % im Mittel nur 12,3 % tatsächlich angekommen sind. Dies zeigt sowohl im Vergleich zur ISG-Studie, aber auch im Verhältnis zur beabsichtigten Erhöhung ein deutliches Defizit auf. Dazu kommt, dass der Gesetzgeber bei der Kalkulation der Betreuungspauschalen vorausschauend eine erwartete Steigerung der Tarife von nur 2 % eingerechnet hatte.
Betrachtet man die Inflationsentwicklung seit 2019, insbesondere auch unter Berücksichtigung der aktuellen Kostenexplosionen, reden wir mittlerweile aber von Kostensteigerungen im zweistelligen Prozentbereich. Industrie und Gewerbe können die Kostenentwicklungen zumindest teilweise auffangen oder weitergeben. Dies ist Betreuungsvereinen und Berufsbetreuer*innen nicht möglich. Deren Situation ist mittlerweile mindestens so dramatisch einzuschätzen wie vor der Vergütungserhöhung 2019.
Berufsbetreuer*innen sind von den Kostensteigerungen im Bereich Energie, Personal und Mieten in besonderer Weise betroffen. Wegen der gesetzlich normierten Betreuervergütung können sie die Kostenentwicklungen weder auffangen noch wie andere Unternehmen weitergeben. Sie sind auch kein Tarifpartner, der in Tarifverhandlungen eine höhere Vergütung durchsetzen könnte. Die angekündigten Entlastungspakete werden der besonderen Kostenstruktur von Berufsbetreuer*innen nicht gerecht.
Ohne ein Gesetzesvorhaben der Politik, das dieser Problematik deutlich Rechnung trägt, ist davon auszugehen, dass viele Betreuungsvereine und Berufsbetreuer*innen das kommende Jahr nicht überleben werden. Der jetzt schon erkennbare Mangel an qualifizierter Berufsbetreuung würde sich weiter verschärfen.
Mit einer aus wirtschaftlichen Zwängen „ausgedünnten“ Betreuerlandschaft ist der Erfolg der Betreuungsrechtsreform 2023 mindestens gefährdet.
Daher ist die Politik aufgefordert, unabhängig von der bis Ende 2024 vorzulegenden Evaluation, das Überleben der Betreuerlandschaft durch einen vorgezogenen Inflationsausgleich zu sichern.
Schwerin, den 7. Oktober 2022
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