Es gibt Momente, da fragt man sich, ob die Welt mittlerweile mehr Linse als Landschaft ist. Wer durch eine asiatische Metropole streift, wird schnell das Gefühl nicht los, dass irgendwo ein Algorithmus mitschreibt, ob man zu oft blinzelt. Und während China mit hunderten Millionen Kameras fröhlich den „Big Data“-Modus aktiviert, geben sich EU-Länder eher moderat – zumindest im direkten Vergleich, denn wirklich kamerascheu ist auch in Europa niemand mehr.
Man sollte sich klarmachen: Überwachungskameras sind längst kein exotisches Stadtaccessoire mehr. Sie hängen überall: an Kreuzungen, über Parkhäusern, hinter Bäckereien, in Hauseingängen und da, wo früher oder heute auch noch Tauben saßen. Viele haben Namen wie „Smart City“, „CCTV-Optimierung“ oder „digitale Sicherheitspartnerschaft“. Interess-anterweise nennt niemand sein System „Wir möchten gern wissen, was du gerade tust oder InsidePrivacy“, aber das ist vielleicht Firmenmarketing.
Bevor wir die großen Stadt-Augen von London, Stockholm oder Rom betrachten, ein kurzer Blick auf das globale Spielfeld, in dem China, die USA und Europa die Hauptrollen spielen – wenn auch in sehr unterschiedlichen Filmlängen.
China führt das Ranking mit einer Nonchalance an, die fast sportlich wirkt. Je nach Quelle stehen über 700 Millionen Kameras im Land, also genügend, um jeden Einwohner gleich mehrfach zu porträtieren – inklusive derer, die versuchen, aus Prinzip immer im Schatten der Laternen und an Häuserwänden entlang zu laufen. Die USA hingegen sind weniger zentralistisch organisiert: Viel Überwachung kommt von privaten Unternehmen, Gewerben, Hauseigentümern und Shopping Malls. Dort existieren nach verschiedenen Marktanalysen rund 85–90 Millionen Kameras, was eine interessante Szenerie ergibt: Während die US-Regierung im Fernsehduell über Datenschutz debattiert, hängt im Hintergrund an jeder zweiten Wand ein privates kleines Auge, das demokratietauglich blinkt.
Europa ist ein weites Feld: Das Spektrum reicht von stocknüchterner schwedischer Polizeiinfrastruktur bis zu britischen Metropolen, die gerne die halbe Stadt kartieren – rein sicherheitshalber natürlich. Hier eine Übersicht der wichtigsten heute verfügbaren Schätzwerte.
Kameraüberwachung – globaler Vergleich
| Region / Stadt | Kameras (ca.) | Kurzinfo |
|---|---|---|
| China | ~700 Mio | Sehr hohe staatliche und private Dichte. Smart-City-Programme überwachen Straßen, Plätze, Bahnhöfe; Gesichtserkennung weit verbreitet. |
| USA | ~87,5 Mio | Viele private Kameras in Shops, Wohnanlagen, Büros. Polizei greift über Kooperationen zu. Hohe Unterschiede zwischen Städten wie New York, Los Angeles oder Chicago. |
| EU gesamt | ~100 bis 120 Mio | Gemischte Systeme aus privaten und staatlichen Kameras. Kein zentrales Erfassungssystem, länderspezifische Unterschiede. |
| Deutschland | ~1,3 Mio | Hohe private Nutzung in Geschäften und Wohnanlagen, moderate staatliche Polizeikameras, besonders in Großstädten wie Berlin, Hamburg, München. |
| Frankreich | ~1,0 Mio | Paris besonders dicht überwacht; Mischung aus kommunalen und privaten Kameras. Wichtige Plätze, Bahnhöfe und Geschäftsstraßen stark abgedeckt. |
| Italien | ~166.000 | Fragmentierte, kommunale Systeme in Städten wie Rom, Mailand, Neapel, Turin. Dichte stark unterschiedlich, keine landesweite zentrale Erfassung. |
| Schweden (Stockholm) | ~22.000 | Stockholm besonders dicht überwacht, Fokus auf Verkehrsknotenpunkte, Bahnhöfe und Innenstadtbereiche. Private Kameras ergänzen staatliche Überwachung. |
| Spanien | ~1,1 Mio | Private Systeme und städtische Kameras in Metropolen wie Madrid, Barcelona, Valencia. Verkehr und Plätze sind überwacht; Dichte variiert stark zwischen Städten. |
| Niederlande | ~500.000 | Hohe Abdeckung in Amsterdam, Rotterdam und Den Haag. Fokus auf Verkehr, Tourismus und städtische Sicherheit. Private Kameras ergänzen kommunale Systeme. |
| Großbritannien (gesamt) | ~5,5 Mio | Traditionell hohe CCTV-Dichte, besonders in London, Manchester und Birmingham. Mischung aus öffentlichen und privaten Kameras. |
| London | ~930.000 | Eine der am dichtesten überwachten Städte Europas. Öffentliche Verkehrsknoten, Plätze, Banken und Einkaufsstraßen stark abgedeckt. |
| Paris (Stadt) | ~45.000 | Kommunale und private Kameras im Innenstadtbereich, Geschäfte, Bahnhöfe, touristische Hotspots überwacht. |
| Madrid | ~35.000 | Kameras vor allem in Geschäftszentren, öffentlichen Plätzen und Verkehrsknoten. Städtische Überwachung ergänzt private Anlagen. |
| Amsterdam | ~25.000 | Fokus auf Innenstadt, Verkehrsknotenpunkte und Tourismuszonen. Mischung aus Stadt und privaten Kameras. |
| Rom | ~17.000 bis 20.000 | Uneinheitlich, viele alte Systeme, besonders in historischen und touristischen Zentren. Private Kameras ergänzen kommunale Anlagen. |
| Stockholm | ~22.000 | Sehr hohe Dichte pro km², Fokus auf Innenstadt, Verkehr und öffentliche Plätze. Private Kameras ergänzen staatliche Überwachung. |
Quellenverzeichnis – wichtigste Schätz- und Hintergrundquellen
- China: IPVM, Comparitech Surveillance Reports
- USA: IPVM, Statista, SafeWise Camera Estimates
- EU / Europa gesamt: Privacy International, EU Commission Security Studies
- Deutschland: Bitkom, BKA-Lagebilder, Statista
- Frankreich / Paris: Innenministerium Frankreich, Paris Open Data
- Italien / Rom: Ministero dell’Interno, kommunale Sicherheitsberichte
- Schweden / Stockholm: Polismyndigheten, Stockholm Stad Sicherheitsberichte
- Spanien / Madrid / Barcelona: Ministerio del Interior, städtische CCTV-Programme
- Niederlande / Amsterdam: Politie NL, Amsterdam Open Data
- Großbritannien / London: UK Home Office, London Assembly Reports, CCTV User Group
