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Donnerstag, 28. August 2025

Ukraine: Patt-Situation erreicht


Russland ohne Siegchance

Warum Moskaus Krieg gegen die Ukraine auf mittlere Sicht nicht zu gewinnen ist

Der Krieg in der Ukraine dauert inzwischen Jahre. Was in Moskau 2022 als schneller Feldzug zur „Entmilitarisierung“ und „Befreiung“ angekündigt wurde, hat sich längst in eine zermürbende Abnutzungsschlacht verwandelt. Russland kann zwar noch zerstören, bombardieren und erobern – aber die strategische Perspektive, die Ukraine dauerhaft zu unterwerfen, schwindet. Drei Gründe machen deutlich, warum Russland auf mittlere Sicht keine Chance mehr hat, den Krieg zu gewinnen.


1. Militärische Grenzen

Russland hat den „Blitzkrieg“ verloren. Weder gelang es, Kiew in wenigen Tagen einzunehmen, noch konnte die ukrainische Staatlichkeit destabilisiert werden. Stattdessen stößt die russische Armee seit Monaten an Grenzen, die strukturell kaum überwindbar sind:

  • Verschleiß statt Vormarsch. Russland hat enorme Verluste an Soldaten und Material erlitten. Schätzungen westlicher Geheimdienste sprechen von Hunderttausenden Toten und Verwundeten. Ganze Brigaden müssen mit schlecht ausgebildeten Reservisten aufgefüllt werden.

  • Die Lernkurve der Ukraine. Die ukrainische Armee kombiniert westliche Technologie – HIMARS-Raketen, Patriot-Systeme, Kampfdrohnen – mit hoher Flexibilität. Während russische Kommandostrukturen zentralistisch und schwerfällig bleiben, nutzt die Ukraine dezentrale Entscheidungen, um russische Vorstöße abzufangen.

  • Heimatvorteil. Die Ukrainer verteidigen ihr eigenes Land, kennen das Terrain, operieren mit hoher Motivation. Russland dagegen kämpft mit langen Nachschublinien, unsicheren Versorgungswegen und ständiger Gefahr durch Partisanen hinter den Fronten.

Russland kann noch Territorien halten oder zerstören. Aber es fehlt an der Fähigkeit, die Ukraine militärisch entscheidend zu überwältigen.


2. Ökonomische und logistische Schranken

Ein Krieg dieser Dauer ist nicht allein mit Panzern und Raketen zu führen. Er frisst sich in die Volkswirtschaft hinein – und hier zeigen sich die langfristigen Grenzen für Russland.

  • Sanktionswirkung. Auch wenn Moskau kurzfristig Schlupflöcher findet (über China, Indien oder den Schwarzmarkt), verliert das Land Zugang zu westlicher Hochtechnologie. Vor allem Mikroelektronik für Präzisionswaffen ist knapp. Die Rüstungsindustrie kann zwar Masse produzieren, aber kaum modernste Qualität.

  • Kostenexplosion. Russische Haushaltszahlen deuten darauf hin, dass ein erheblicher Teil der Staatseinnahmen direkt in den Krieg fließt – zu Lasten von Infrastruktur, Bildung, Gesundheit. Der Krieg wird so zu einer schleichenden Selbstschwächung.

  • Logistik und Materialmangel. Die Rückkehr uralter sowjetischer Panzer und Raketen in die Schlacht zeigt: Russlands Reserven sind begrenzt. Iranische Drohnen und nordkoreanische Munition füllen Lücken, doch Abhängigkeit von externen Lieferanten macht verwundbar.

Damit wächst das Risiko, dass Russland zwar weiter kämpfen, aber den Krieg nicht mehr in eine vorteilhafte Entscheidung führen kann.


3. Politisch-gesellschaftliche Instabilität

Ein Krieg lässt sich nicht nur mit Waffen und Geld führen – er braucht auch gesellschaftliche Akzeptanz. Und hier wird die Lage für Russland zunehmend brüchig.

  • Unzufriedenheit in der Bevölkerung. Hinter der Fassade von Propaganda und Repression mehren sich Unmutsäußerungen: Mütter klagen über gefallene Söhne, Regionen protestieren gegen unverhältnismäßige Einberufungen.

  • Elitenkonflikte. Die Machtbalance im Kreml ist fragil. Der Aufstand der Wagner-Gruppe um Jewgeni Prigoschin im Sommer 2023 war ein Fanal: Selbst ein privater Söldnerführer konnte kurzfristig das Machtzentrum Moskau bedrohen. Loyalität im Machtapparat ist nicht selbstverständlich.

  • Legitimationskrise. Je länger der Krieg dauert und je geringer die „Erfolge“ wirken, desto schwerer fällt es Putin, den Krieg als notwendige nationale Mission darzustellen. Das Narrativ einer „Verteidigung gegen den Westen“ nutzt sich ab, die wirtschaftlichen Kosten sind im Alltag spürbar.


Internationale Dimension: Die Ukraine steht nicht allein

Der entscheidende Unterschied zwischen Russland und der Ukraine ist die internationale Unterstützung. Westliche Waffenlieferungen, Finanzhilfen und die politische Rückendeckung durch EU, NATO und USA haben der Ukraine ein Überleben ermöglicht. Und diese Unterstützung ist – trotz politischer Schwankungen in einzelnen Ländern – langfristig angelegt.

Russland steht hingegen zunehmend isoliert. Enge Partner wie Belarus sind ökonomisch schwach, während China zwar taktische Vorteile aus Moskaus Schwäche zieht, sich aber scheut, in einen offenen militärischen Pakt einzutreten.


Fazit

Russland hat die Fähigkeit, weiter Leid zuzufügen. Aber die Perspektive, die Ukraine dauerhaft zu besetzen oder zu unterwerfen, ist verloren. Militärisch stößt Moskau an strukturelle Grenzen, ökonomisch schwächt sich das Land selbst, und politisch wächst der Druck im Inneren. Die Ukraine hingegen bleibt verteidigungsfähig – durch internationale Unterstützung und eine mobilisierte Gesellschaft.

Auf mittlere Sicht ist daher weniger die Frage, ob Russland gewinnt, sondern vielmehr, wie lange es noch bereit ist, einen Krieg ohne Aussicht auf Sieg zu führen.

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